Jugendamt lehnt finanzielle Förderung für Legasthenie- und Dyskalkuliekinder ab.

 

Die Legasthenie und Dyskalkulie ist keine Krankheit und auch keine Behinderung. Niemand ist zuständig für die finanzielle Unterstützung , weder die Krankenkasse, das Jugendamt noch andere Stellen. Das Jugendamt verschließt die Augen und versteckt sich hinter Paragraphen.

 

Für eine finanzielle Unterstützung durch das Jugendamt muss eine drohende seelische Behinderung nach § 35 a und eine Teilhabebeeinträchtigung vorliegen.

 

 

Auszug aus dem § 35 a Sozialgesetzbuch

 

(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
1. ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem
    für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
2. daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche
   Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Von einer seelischen Behinderung bedroht im Sinne dieses Buches sind Kinder oder Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. § 27 Absatz 4 gilt entsprechend.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
1. eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie,
2. eines Kinder- und Jugendpsychotherapeuten oder
3. eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen
   auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
einzuholen. Die Stellungnahme ist auf der Grundlage der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information herausgegebenen deutschen Fassung zu erstellen. Dabei ist auch darzulegen, ob die Abweichung Krankheitswert hat oder auf einer Krankheit beruht. Die Hilfe soll nicht von der Person oder dem Dienst oder der Einrichtung, der die Person angehört, die die Stellungnahme abgibt, erbracht werden.
Dies ist nur ein Ausschnitt aus dem § 35 a SGB, wer mehr darüber lesen will:

 

 

Definition Teilhabebeeinträchtigung :

 

Ob eine Teilhabebeeinträchtigung vorliegt bzw. droht, hängt von Ausmaß und Grad der durch die Störung selbst oder der Folgestörungen bedingten Einschränkung der sozialen Funktionstüchtigkeit und der altersgemäßen Handlungsmöglichkeiten ab. Nach der Rechtsprechung reichen jedoch bloße Schulängste, wie sie jedes normale Kind gelegentlich hat, nicht aus, um eine seelische Behinderung zu bejahen. Dagegen wurde eine drohende seelische Behinderung angenommen, wenn eine auf Versagensängsten beruhende Schulphobie, totale Schul- und Lernverweigerung, Rückzug aus jedem sozialen Kontakt der Vereinzelung in der Schule vorliegen Das bedeutet, dass die psychosoziale Entwicklung und Integration des Kindes oder Jugendlichen nachhaltig in zumindest einem zentralen Teilhabebereich beeinträchtigt oder bedroht sein muss. Wichtige Lebensbereiche sind Schule, Familie und soziales Umfeld (Freizeit).

Der Bundesverband für Legasthenie (BVL) hat einen Ratgeber für Finanzierung außerschulischer Hilfen und Therapien bei Legasthenie und Dyskalkulie herausgebracht. Dort werden auch detailliert die Voraussetzungen für den § 35 a und die Teilhabebeeinträchtigung beschrieben (Seite 7 ff).

 

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Nach anhaltenden Problemen in der Rechtschreibung ihrer Tochter (4. Klasse) hat sich eine Mutter aus dem Landkreis Prignitz entschlossen , ihr Kind einem Kinderpsychotherapeuten vorzustellen. Sie wollte Gewissheit erhalten, ob es sich bei ihrer Tochter um eine  Legasthenie (Lese- und Rechtschreibschwäche) handelt. Nach mehreren Terminen bei dem Psychotherapeuten stellte sich heraus, dass ihr Kind bei einer überdurchschnittlichen Intelligenzleistung unter einer Rechtschreibstörung (IDC 10.F81.1) leidet, mit der Folge der Beeinträchtigung ihres Selbstwertgefühls und dem Effekt sozialer Ängstlichkeit.

Weiterhin wurde diagnostiziert, dass die seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für ihr Lebensalter typischer Zustand abweiche und hinsichtlich ihrer Teilhabe in der Gesellschaft gefährdet sei.

 

Die Mutter stellte aufgrund dessen einen Antrag beim zuständigen Jugendamt auf finanzieller Förderung einer Lerntherapie. Dort wurde ihr gleich beim Erstgespräch mitgeteilt, dass das Jugendamt eine Lerntherapie nicht finanziell unterstützt, aber sie könne es ja trotzdem probieren.

Es folgte Ausfüllen endloser Anträge und Formulare sowie mehrere Termine beim Jugendamt. Die zuständige Sozialarbeiterin besuchte das Kind in der Schule und führte Gespräche mit der Klassenlehrerin.

Das Fazit war ein Ablehnungsbescheid in dem das Kind nicht dem § 35 a zuzuordnen sei und auch keine Teilhabebeeinträchtigung vorliege.

 

Auch der anschließende Widerspruch wurde mit den gleichen Argumenten abgelehnt.

 

Es stellen sich nun einige Fragen:

  • Kann das Jugendamt bzw. eine Sozialarbeiterin, die nicht über eine medizinische oder psychologissche Ausbildung verfügt, eine bessere Diagnose erstellen als ein Kinderpsychotherapeut?
  • Vor einigen Jahren wurde die Lerntherapie anstandslos bezahlt. Seitdem die Zahl der betroffenen Kinder angestiegen ist, wurde nun die Notbremse gezogen und der Geldhahn zugedreht?
  • Im Landkreis Ostprignitz wird die Lerntherapie finanziert. Liegt es also im Ermessensspielraum des Landkreises Gelder dafür bereitzustellen?
  • Wenn eine Teilhabebeeinträchtigung bei einem Kind diagnostiziert  wurde, dann braucht das Kind keine Lerntherapie, sondern intensive psychologische Hilfe. Wie weit muss das Kind am Boden liegen, bis das das Jugendamt einschreitet?